Nach fünf Monaten Wartezeit Anhörung im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages
Am Montag vergangener Woche fand – nach mehr als fünf Monaten
Wartezeit – die Anhörung zu der Bundestagspetition „Verlängerung und rechtssichere Ausgestaltung von Soforthilfen für Selbstständige“ (PDF) des BAGSV statt, die im
Juni fast 60.000 Selbstständige mitgezeichnet hatten. Gehört wurde Andreas Lutz, Petent und Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft
Selbstständigenverbände (BAGSV), www.bagsv.de.
Streitgespräche statt Eiteitei
Andreas Lutz schilderte vor den Bundestagsfraktionen die aktuelle Situation der Selbständigen und forderte situationsangepasste Hilfen für Einzelunternehmer. Auf Regierungsseite nahm der per Video
zugeschaltete parlamentarische Staatssekretär Thomas Bareiß, Bundeswirtschaftsministerium (BMWi ) Stellung zu den Forderungen der Selbständigen und deren Kritik. Teilweise lieferten sich Bareiß, der für die Hilfen zuständig ist, und Lutz einen intensiven Schlagabtausch.
Das sind die Probleme der Selbständigen
Lutz formulierte in einem fünfminütigen Statement einen dringenden Appell: "Helfen Sie uns Soloselbstständigen wirksam, bekämpfen Sie uns nicht. Und
bitte arbeiten sie zusammen mit uns an Lösungen, lassen sie uns unseren
Sachverstand einbringen. Danke!“
Die Petition des BAGSV habe nichts von ihrer Aktualität verloren. Was für viele Bundesdeutsche ein zweitet Lockdown sei, stelle für viele Selbstständige einen beruflichen Lockdown seit März dar.
Die Folgen: Die finanziellen Einbußen lägen laut DIW im Schnitt 15 mal so hoch wie bei Angestellten – pro Kopf und Monat. Bei der Hilfsvariante für Selbständige werde vor allem der bestraft, der für sein Alter vorgesorgt habe - und die Familie
gleich mit. Mehr als 90% der Betroffenen müssten deshalb bis heute die
Kosten der Krise aus ihren Ersparnissen tragen, oft ihre Altersvorsorge
unter Verlust auflösen.
Die vergifteten Hilfsangebote der Bundesregierung - und die Folgen
Problem: Versteckte Vermögensprüfung
Soloselbstständige sind nach Lutz im Schnitt 50 Jahre alt und hätten überwiegend für ihr Alter privat vorgesorgt. Aufgrund der aktuellen Corona-Regelungen behauptet die Regierung, sie verzichte auf eine Vermögensprüfung.
– Die Realität weist anderes aus, z.B. daß die Altersvorsorge doch auf Hilfen angerechnet wird. Ein Ehepaar dürfe in der
Rentenzeit gemeinsam 375 Euro behalten - pro Monat Lebenserwartung.
Damit müssten mehr als 90% der Betroffenen derzeit von ihren Ersparnissen leben,
oft ihre Altersvorsorge - unter Verlust - auflösen.
Problem: Überbrückungshilfen mit Zweckbindung im Kleingedruckten
Die im Frühjahr
ausbezahlte Soforthilfe wurde von vielen Empfängern falsch verwendet –
nämlich auch für den Lebensunterhalt. Erst nach
längeren Diskussionen zwischen Bund und Ländern klärte sich, dass die Soforthilfe
nur für fixe Kosten wie die Büromiete verwendet werden darf. Die Mehrheit der
Soloselbstständigen arbeite aber von zuhause und hat solche Kosten nur
in geringer Höhe. Die Konsequenz: Die meisten Soforthilfe-Empfänger müssen diese
Hilfe zurückzahlen, mehr als 8.000 der Empfänger drohen sogar
Betrugsverfahren.
Übrigens: Auch bei Überbrückungshilfe 1 und 2 wurden nach Lutz nur bestimmte Fixkosten
gefördert.
Problem: Antragsstellung über Dritte (Bürokratie) und erhöhte Kosten
Für die Überbrückungshilfen 1 und 2 gilt zusätzlich erschwerend: Antragstellung nur über Steuerberater. Den haben viele
Selbständie nicht. Deshalb – und nicht weil es an Hilfebedarf
mangele, so Lutz – wurden bislang nur 0,2 Prozent der zur Verfügung gestellten Mittel
von Soloselbstständigen abgerufen. Und davon fließe aufgrund der Auflagen auch noch ein Teil als Honorar an Dritte ab.
Problem: Zuschnitt und Rahmenbedingungen
Von der Novemberhilfe dürfe nun erstmals auch ein Teil für den
Lebensunterhalt verwendet werden. Doch: Es profitieren davon nur
direkt oder relativ direkt von Schließungen betroffene Unternehmen und
nicht einfach alle mit 80% Umsatzrückgang. Die einen erhielten also
großzügige Hilfe, die anderen gingen leer aus, für Lutz ist das
„Fördermittel-Lotterie“.
Die Antwort der Bundesregierung auf die Kritik der Selbständigen
Thomas Bareiß Antwort auf die Kritik der Selbständigen fasst Lutz so zusammen: Wir wollen den
Selbstständigen helfen. Beantragen Sie Grundsicherung. Jeder kann
Grundsicherung beantragen.
Informtionen aus erster Hand
Die Petition von Andreas Lutz wurde von dem Vorstandsmitglied des BAGSV Jochen Clausnitzer angeregt, der auch bei der Ausschußsitzung anwesend war und wurde vom T.O.C. e.V. (Berufsverband Training OrganisationsBeratung Coaching) unterstützt.
Informationen aus erster Hand finden sich unter: https://www.vgsd.de/?p=40982. Dort finden sich ein Bericht samt Mitschnitt und
Minutenprotokoll.
Die Bundestagsseite samt Mitschnitt findet sich unter der Adresse: www.vgsd.de/peta.
Autor: Claudia Grötzebach