Zertifizierung light? - Die GRETA-Kompetenzbilanzierung
vielleicht doch noch nicht ganz ausgereift? Eindrücke von dem Greta-Workshop am
22. Juni 2018 in Soest.
„Und wo war jetzt der Workshop?“ Diese Frage ist ein wenig
symptomatisch für den Eindruck, den die Greta-Roadshow in Soest hinterlies.
Eine wichtige Teilnahme, denn bislang hat sich der T.O.C. e.V. keinen rechten
Eindruck machen können von diesem Projekt, das mal als Zertifizierung, mal als
Kompetenzbilanzierung bezeichnet wird.
Noch schwieriger wird es, wenn plötzlich die Begutachtung
von Lehrenden Thema ist und im nächsten Moment die Begutachtung von
Veranstaltungen und eine Reorganisation und Bilanzierung von
Fortbildungsinstituten.
Kurz: Wer sich bislang mit dem Projekt noch nicht beschäftigte, dem
wird es nicht leicht gemacht. Dieser Ferneindruck ließ sich in Soest
eher bestätigen als wiederlegen.
Was ist Greta?
GRETA ist ein vom Bildungsministerium gefördertes
Forschungs- und Entwicklungsprojekt. Die Aktiven arbeiten seit 2014 daran, ein
Anerkennungsverfahren für Lehrende zu entwickeln. Dieses Verfahren will die
Kompentenzen von Lehrenden erfassen, daraus Standards entwickeln und dann in
einem Beratungs- bzw. Validierungsprozess jedem interessierten Trainer,
Dozenten, Referenten... die Möglichkeit geben, sich bilanzieren zu lassen.
„Was läuft aktuell?“
Aktuell ist die öffentliche Förderung diesen Projektes
ausgelaufen. In der Endphase präsentierten die Projektverantwortlichen seit Mai die
Ergebnisse ihrer Arbeit, und damit das entwickelte Kompetenzmodell, in
öffentlichen „Workshops“ an verschiedenen Standorten. Der T.O.C. e.V.. hat in
Soest an einer der letzten öffentlichen Präsentationen teilgenommen.
Wie sah der „Workshop“ aus?
Von 11:00 bis 15:00 war der „Workshop“ ausgeschrieben. Ein
Zeitraum, der für einen Workshop etwas
knapp bemessen schien, aber praktisch ist, wenn man den
Focus auf Alltagstauglichkeit legt: So braucht es keine Übernachtung. Es bleibt
bei einer Tagesveranstaltung. Zu erwarten ist dann aber ein ziemlich
vollgepackter Tag. So war es auch.
Ziemlich pünktlich begann es um 11:00 mit der Eröffnung
durch das gastgebende
Institut, die Supportstelle Weiterbildung im
Tagungshaus der Qualitäts- und UnterstützungsAgentur - Landesinstitut für
Schule in Soest. Bis zur Mittagspause folgte dann eine rund
einstündige Präsentation des Projektes in Interviewform.
Um 13:00 starteten dann zwei parallele „Workshops“, in denen
sich die Teilnehmer entweder über das Anerkennungsverfahren oder über die
Einführung in die Praxis informieren konnten.
Und schließlich gab es eine rund halbstündige Diskussion zum
Abschluss der Veranstaltung.
Und was genau wurde entwickelt?
Entwickelt wurde das GRETA-Kompetenzmodell in Anlehnung an
jene Kompetenzmodelle, die den Pisa-Reformprozess prägten, entwickelt nach
Franz Weinert. Das vorliegende Modell versuchte zunächst einmal zu erfassen, über welche Handlungskompetenzen
professionell Lehrende verfügen sollten. Dies Kompetenzen bildet das Modell in
einem Kompetenzkreis ab, der sich in vier Felder und drei Ringe gliedert.
Auf der Basis dieses Modells wurden dann de facto zwei
Produkte entwickelt: erstens eine Kompetenzbilanzierung der Lehrenden
(PortfolioPlus) und zweitens die Einordnung von Veranstaltungen innerhalb des
Kompetenzmodells. Hierbei geht es darum, Veranstaltungen im Hinblick darauf,
welche Kompetenzen sie fördern, einzuordnen. Es kann also als Steuerungsinstrument
für Bildungsanbieter dienen.
Angestestet wurde PortfolioPlus
In einer Testphase wurde vor allem das PortfolioPlus, also
das Diagnosemodell für Lehrende ausprobiert, anscheinend mit positiver
Rückmeldung, denn die identifizierten Kompetenzen deckten sich weitgehend mit
den von den Probanten selbst wahrgenommenen und bestätigten wohl weitgehend das
Selbstbild der Testpersonen.
Und warum das Ganze?
Der Ausgangspunkt ist sympathisch: Die vorgestellte Form der
Kompetenzbilanzierung will den Lehrenden aber auch Auftraggebern, z.B.
Instituten und Bildungseinrichtungen, Orientierung geben. Standards sollten
ermöglicht werden, die eine Vergleichbarkeit im Know How der Lehrenden schaffen
und damit auch allgemein zu einer Anerkennung der Qualifikation der Lehrenden
führen. Vielleicht, so schimmert die Hoffnung der Initiatoren heraus, kann das
auch zu einer Befreiung aus den prekären Arbeitsverhältnissen in weiten Teilen
der Weiterbildung schaffen.
Kritikpunkte
Das Ganze ist derzeit noch viel zu diffus und unsauber
ausgerichtet, so der Eindruck. Man präsentiert ein Produkt, doch de facto sind
es mehrere, derzeit zwei, potentiell drei. Da sind begriffliche Unsauberkeiten
wie der Bezeichnung „Workshop“ für diese Präsentation. Erarbeitet wurde nichts,
ergebnisoffen war auch nichts... Also war der Begriff „Workshop“ schlicht
falsch gewählt, vielleicht weil er so schick ist? Gespielt mit dem Zielbegriff
der „Anerkennung“ als Ziel/Sinn der Kompetenzbilanzierungen. Das suggeriert
Nähe zu einer Zertifizierung. Dafür aber fehlen Know How
und klare Standards.
Zielgruppe?
Zielgruppe?
„Wer ist die Zielgruppe?“ - Anwort: „Alle Lehrenden...
530.000 derzeit statistisch geführte.“ Die Frage nach der Zielgruppe konnte also
nicht wirklich beantwortet werden. Grundlage eines jeden Marketings ist eine
Zielgruppendifferenzierung. Hier macht das Bildungsmarketing keine Ausnahme. Haben sich die Entwickler wirklich nicht mit Konkurrenzprodukten oder aktuellen
Trends beschäftigt? Haben Sie nicht recherchiert, wie Bildungsanbieter ihre Qualität sichern und ihre
TOC-Partner auswählen? Wäre es nicht wichtig zu klären, ob es Unterschiede
in den Kompetenzen von Trainern, OrganisationsBeratern, Coaches, Dozenten,
Referenten gibt? Passt das Modell auf alle? Gibt es zu identifizerende
Unterschiede in den Benchmarks? Lassen sich Unterschiede feststellen zwischen
z.B. formell ausgebildeten Lehrenden und nicht bzw. punktuell ausgebildeten? In der Roadshow blieb der Eindruck, man beschäftige sich damit nicht. Falls die Aktiven es nicht thematisieren wollten, haben Sie sich keinen Gefallen getan.
Was machen Sie anders?
Frage: "Wie grenzen sich die beiden Produkte von bestehenden
Zertifizierungen ab? Was ist da angedacht?" - Antwort: "De facto nichts, darum könnten
sich ja der T.O.C. e.V. und der DVWO e.V. kümmern." Das klingt wenig solide.
Ein zarter Hauch von Schein statt Sein
Handwerklich wirklich sauber? Kompetenzen zu definieren,
statt Wissensprüfung und Arbeitsprobe... Ist die heutige TOC-Qualifizierung nicht schon weiter? Bei aktuellen Ansätzen werden beide, Wissens- und Kompetenzbilanzierung miteinander
kombiniert. In den Beschreibungen der GRETA-Kompetenzbilanzierung klingt es eher
nach Bilanzierung auf der Grundlage von Selbstauskünften. Das wirkt
eher wie eine Scheinzertifizierung.
Viel Geld für nichts?
Viel Geld für nichts?
Ein Preis von 500,-- Euro ist für einen VHS oder IHK-Trainer
viel. Eine Refinanzierung erscheint aber wenig realistisch. Wo soll es herkommen, wenn
Honorare nicht verhandelbar sind?
Annerkennung von Lehrqualifikationen erreicht man
üblicherweise durch Standards, Zugangsbeschränkungen und differenzierte,
durchdachte Angebote, nicht durch „nice-to-have“-Konzepte.
Damit wirkt die Kompetenzbilanzierung eher als ein Analysetool
für Lehrende ähnlich wie sie auf der Basis von Persönlichkeitsmodellen z.B.
DISG-Profile entwickelt werden.
Zukunftsperspektive?
Das Projekt hat tatsächlich Potential. Es könnte ähnlich wie
ein Persönlichkeitsmodell eine Art Kompetenzenmodell für Lehrende sein. Als
Diagnose- und Steuerungselement nicht schlecht. Doch bevor das tatsächlich
Verbreitung finden könnte, müssten die Unklarheiten aufgearbeitet werden.
Vielleicht stellt sich im Zuge der ARbeit heraus, daß eine Differnzierung z.B.
der Lehrenden nach Coaching, Training, Seminardozent... irrelevant ist, da sich
laut Analyse keine Unterschiede feststellen lassen. Doch das sollte dann als
Ergebnis eines Validationsprozesses formuliert werden und nicht, weil es nicht
bedacht wurde oder nicht bearbeitet werden soll, will, wird...
Jeder Lehrende muss hart für sein Geld arbeiten und wenn er
es so investiert sollte er ein wirklich ausgereiftes Produkt mit klaren Profil,
klarem Erkenntnisgewinn und klaren Refinanzierungsmöglichkeiten durch echte
Wettbewerbsvorteile erhalten. Es gibt also noch Luft nach oben.
Autor: Claudia Grötzebach
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